Liebe Freunde der Philosophie,
8. Februar 2021
Der Optimismus verlässt uns nicht.
Nun ist es also amtlich, der allgemeine Corona lock-down dauert noch über den 14.Februar hinaus, und einen Tagungsraum von der vhs/Stadtverwaltung für unsere Philosophietreffen gibt es wohl
# erstmal nicht.
Das führt natürlich zu der allgemeinen Frage: Hat der lock-down des
Virus die Philosophen mundtot gemacht? Keineswegs, denn auch in unserer Zunft gibt es einige - ungeschriebene - Grundsätze, von denen der wichtigste lautet:
ZWEIFELN ist erlaubt, VERZWEIFELN aber nicht, auf keinen Fall.
Daher unser Philosophie-Programm 2020/21:
Zunächst kurzfristig Wiedereinführung des "Montagsphilosophen".
Dann aber langfristig im Neuen Jahr :
Homeoffice für Philosophen per Internet
Ab Februar 2021 bleiben vorgesehen:
Dr. Alfons Velte: Jürgen Habermas: Band 1,Glauben und Wissen. Kapitel 1
Dr. Alfons Velte: Jürgen Habermas: Band 1,Glauben und Wissen. Kapitel 2
Dr. Breidert: Jürgen Habermas: Band 1,Glauben und Wissen. Kapitel 3:23.11.
Dr. Gerhard Metschies: 250 Jahre Hegel: Geschichtsphilosophie; Fort-Schritt
durch den Drei-Schritt der Dialektik.
Also bis zum nächsten Montag: Bleiben Sie gesund!
gez. Gerhard Metschies
Liebe Philosophie-Freunde,
Die Teilnehmer unserer Montagsdiskussion haben noch einige Thesen zum Thema Demokratie
nachgereicht, das ja nach den Vorfällen im Capitol in Washington weltweite Aktualität erreichte.
Heute noch drei Thesen als Nachträge zur Demokratie-Diskussion.
These 1:
Eine Demokratie funktioniert nur mit vernünftig denkenden Bürgern.
Einwand1.1:
Davon steht in der Verfassung nichts. Der Grundgedanke der Demokratie ist, dass alle Gewalt
vom Volke aus geht, und zwar vom Volke so wie es ist, unter Einschluss aller „Dummen“, der
Gutartigen wie auch der Böswilligen. Erst und nur mit den Hilfsmitteln von Parteien, Wahlen und
Regierungs-Koalitionen kann es gelingen, die Dummheit mattzusetzen.
Einwand 1. 2:
Schon Aristoteles um 300 v. Chr. hat die verschiedenen Demokratien seinerzeit (über 70) nicht
nach ihren Bürgern, sondern nach ihren Verfassungen unterschieden. Erst dann kam er zu
einem Urteil.
These 2: Ohne auf die Zustände in anderen Ländern einzugehen: Eine Bildung
in der Breite ist wichtig, um eine Demokratie zu leben.
Einwand 2.1:
Unser gängiger „Bildungs“- Begriff wurzelt doch noch in den Vorstellungen des klassischen
Idealismus und einem Ziel vom „gebildeten Schöngeist“, heutzutage oft noch in der Verengung
auf das literarisch-politische Gebiet.- Betrifft aber Ausland: Dieses Endziel wird, insbesondere
in den 47 UN -definierten LDC- Entwicklungs- ländern (auch nach 60 Jahren politischer
Unabhängigkeit) schon in seinen ersten Anfängen als breite gewerbliche Aus-„Bildung“ noch nicht
erreicht. Europäische Bildung erfordert oft einen sehr langen Entwicklungsprozess.
Einwand 2.2:
Bildung in der Breite ist in der Tat notwendig. In Tunesien, dem Ausgangspunkt
des „Arabischen Frühlings“, liegt unter den Akademikern der Anteil der Arbeitslosen
bei 28 %. Denn oft wird die Bildung leider nur zur Ein-Bildung, vor allem, wenn die Aus-Bildung eines staatstragenden Handwerker- und Mittelstandes fehlt.
Einwand 2.3:
In der NS-Zeit war von allen Berufsgruppen insbesondere der Lehrerstand eine Stütze des Regimes.
Dies relativiert etwas die Meinung, die „Bildung“ als Vorraussetzung einer gelebten Demokratie
anzusehen. Bildung schützt vor Torheit nicht.
These 3: Um die Regierenden und die Staatsorganisationen nicht nur als Trottel hinzustellen,
sondern zu würdigen, bedarf es der Vorraussetzung der Vernunft
Einwand 3.1:
Vernunft ist stets bei wenigen nur gewesen (Goethe, Faust) und jeder reklamiert sie für sich.
Die Fähigkeit zu rationalem und vernünftigem Denken prüfte schon Platon mittels Mathematik
und Geometrie als Eingangsvorrausetzungen zu seiner Akademie für philosophisches Denken.
Einwand 3.2
Als Leitlinie für vernünftiges Handeln definierte auch schon Cicero „sine ira et studio“, ohne Zorn
und Eifer, d. h. Ziel bleibt die Vermeidung einer emotions-geleiteten Motivation und die Überwindung entsprechender Vorurteile.
Einwand 3.3:
Mit Vernunft allein ist es wohl nicht getan. Wenn in den USA es in der Verfassung seit
230 Jahren (!) ein verbrieftes Recht ist, dass jeder eine Waffe tragen darf und dass jeder
Einzelne im ganzen Volk bewaffnet ist, dann braucht eine zivilisiertere Demokratie wohl
auch eine gewisse Tradition.
Die Diskussion geht weiter..
gez. Dr. Gerhard Metschies
Der Montagsphilosoph, 1.Februar.21 : Diskussion Demokratie
Liebe Freunde der Philosophie, Danke für die Diskussions- Rückmeldungen
Wir diskutieren weiter und bleiben heute – in Fortsetzung vom letzten Montag - beim Begriff der Demokratie.
„Ist unsere Demokratie in Gefahr“?
lautete die Befürchtung nach den Trump-Krawallen im Capitol..
Hier nun die Thesen unserer Diskutanten und auch gleich einige Wortmeldungen („Einwände“) dazu.
These 1:
Demokratie hängt - sowohl bei uns wie in den USA - vom Bildungsgrad der Gesellschaft und ihrer Bürger ab.
Einwand 1.1:
Von Demokratie redet heute jeder, sowohl der protestierende Mob auf den Straßen
als auch die sogenannte Volksdemokratie in sozialistischen Staaten (wie in China etc., wo sich in der großen Halle des Volkes einmal im Jahr
ausgewählte Delegierte zur Akklamation treffen) .
Wichtig ist, dass wir in Deutschland keine direkte, sondern eine Repräsentative Demokratie haben, d.h. zwischen Volk und Regierung ist
zwischengeschaltet die Schicht der gewählten Parlaments- Abgeordneten (Anfänglich die vom Volk anerkannten „Honoratioren“ wie
beim Paulskirchen-Parlament von 1848 oder die „Landtage“ des ganzen deutschen Mittelalters; siehe Anlage)
Einwand 1.2:
Auch in Deutschland wird die ursprünglich indirekte Demokratie durch die Sozialen Medien (auch BILD- Zeitung und „Politbarometer“) immer
mehr zu einer täglichen, aber scheinbaren Volksabstimmung ausgehöhlt.
Einwand 1.3:
Die Form der Demokratie ist überall auf der Welt wohl weniger von der Bildung der Bürger als vom jeweils im Lande herrschenden Zeitgeist
abhängig, der überall die Deutungshoheit beansprucht. Dies zeigt sich z. B. auch im „gebildeten“ Frankreich noch heute bei der Einordnung
des Bürger- und Algerien kriegs (1958-62); dessen Beitrag zur aktuellen französischen Identität ("fraternité?) noch jetzt von Präsident Macron
in einer „neutralen“ Studie untersucht wird, um sich gegen seine Rivalin Marie le Pen im Wahlkampf besser gerüstet zu sehen.
These 2:
Bei uns wartet eine Schicht auf einen starken Mann, der “Deutschland zuerst“ verkündet.
Einwand 2.1:
Die Alternative eines Starken Mannes hat sich in Deutschland wohl historisch erledigt. Auch in der jetzigen Corona-Krise hat die zerstrittene
Bundestags-Opposition kein Alternativ-Konzept vorlegen können. Der AfD- Umfragewert ist schon auf 10% gesunken.
Einwand 2.2:
Natürlich hat das Staats-Management auch in Deutschland seine Schwächen, aber selbst in der freien Wirtschaft glaubt niemand mehr,
dass komplizierte Sachverhalte durch „mit der Faust auf den Tisch hauen“ gelöst werden können.
These 3:
In den USA gibt es eine Gleichzeitigkeit von Bildungsarmut des Volkes und einer Konzentration der Exekutiv-Vollmachten des Präsidenten
Einwand 3.1:
Die „Bildungsarmut“ in den USA, wie sie von vielen Europäern festgestellt wird, sitzt wohl tiefer, als dass sie z. B. mit Bildungsprogrammen
bekämpft werden könnte. Die „persue of happiness“ als in der Verfassung erwähntes Oberziel einer ganzen Gesellschaft (und konkretisiert
z. B. im Freizeitpark vom Disney-land) wird in Europa wohl zu Recht (noch) als reichlich naiv belächelt. Denn unsere Bildungsideale sind
traditionell eher philosophischer Natur und lassen sich auf das Altertum zurückführen, wo schon „Herakles am Scheidewege“, die Wahl
zwischen einem emotional hedonistischen (gr. hedone = Freude, kurzfristiges Glück) und einem mühsamen rational geleiteten „stoischen“
und langfristigen Lebensziel verfolgte.
Einwand 3.2:
Die Vollmacht des US-Präsidenten, der ja auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, (und der wie Trump das Recht beansprucht, gegnerische
Generale im Ausland wie im Irak/Iran per Drohnen zu erledigen) , ist ein besonderes Problem, das wir in der bundesdeutschen Parlamentsarmee“
nicht kennen.
Zusatz:
Aber über das Thema RECHT (vom Faustrecht der Protestierer, Internationalen Rechtskonstruktionen bis zum Weltpolizisten) diskutieren wir
beim nächsten Mal.
Annex:
Ob wir nach den Vorfällen im Washingtoner Capitol Angst haben müssen, dass uns eine neue Re-Education durch die vorschnell als
„älteste Demokratie der Welt“ bezeichneten USA drohen, mag das Bild vom württembergischen Landtag aus dem Jahre 1400 in Frage stellen.
Tagung des Württemberger "Repräsentantenhauses" um 1400 n. Chr.
Traditionelle Demokratie in Württemberg: (Amerika wurde ja erst 1492 entdeckt).
Graf Eberhard der Milde (1392- 1417) hält eine Landtagssitzung ab Er ist links und rechts von den Bischöfen von Konstanz und Augsburg
umgeben und diskutiert mit den 45 Abgesandten der Ritterschaft (jeder durch sein Wappen legitimiert). Das Bild ist als Prunkstück im
Eingangsbereich des BW- Landesmuseums in Stuttgart ausgestellt.
P.S. Der abgebildete Ritter Friedrich von Sperberseck (Nr.32) gehört zu meiner bis 1250 n.Chr. reichenden direkten Ahnen- und
Vorfahrenlinie der Sperber- Familie aus Reutlingen
gez. Dr. Metschies.
Der Montagsphilosoph 28.12.2020 Theodizee heute?
Das Corona-Thema verfolgt uns weiter und das Ende des deutschen lock-downs zum 10. Januar 21 wohl kaum noch in Sicht. Aufrufe zu
Solidarität, Nächstenliebe und zur Teilnahme an den Impfungen sind an der Tagesordnung und helfen, die Zeit bis zur Überwindung der
Seuche zu überbrücken.
Dennoch bleibt noch Raum zu philosophischen Betrachtungen, denn allein die Anzahl der Epidemie-Toten, vor allem in den USA, hat
mittlerweile die Dimension eines Weltkrieges erreicht. (Zur Erinnerung: Die Anzahl der Toten der USA am 1. und 2. Weltkrieg betrug
ca. 200 000 bzw. 400 000, während die Zahl der US- Pandemie-Toten schon über 300 000 erreicht hat).
Das wichtigste philosophische Thema von alters her ist natürlich die grundlegende Frage nach der Gerechtigkeit, früher oft nur
im engen Religionskontext, heute aber im weltweiten Rahmen gestellt.
Zum einen fragen wir uns, ob die „Teilung der Welt“, wie sie schon Friedrich Schiller vor über 200 Jahren in seinem Balladen-Gedicht
feststellte, weiterhin gültig bleibt (und damit implizit die Allmächtigkeit Gottes auf dieser Erde grundsätzlich verneinte).
Und zweitens stellt sich die Frage nach der Verteilung der Pandemie über den Erdball, wo doch praktisch ganz Asien von der zweiten
Viruswelle verschont bleibt. Oder wieso – würde ein advocatus diaboli fragen – wird von „allmächtiger“ Weltenlenkung gerade
den „Ungläubigen“ (Chinesen, Japaner etc.) geholfen und warum darf der Virus mehr oder weniger gerade im „christlichen“ Europa
und Nordamerika so tödlich wirken?
D.h. die eigentlich uralte Frage (schon eines Hiob im Alten Testament) nach der Gerechtigkeit auf dieser Welt (Theodizee) ist
bis heute ungelöst und schon immer ein Thema der Philosophie
gez. Gerhard Metschies
Der Montags-Philosoph 4.Januar 21
„Gottes Segen“ –ein philosophisches Problem?
Das Neue Jahr hat mit vielen guten Wünschen begonnen und wir können sie in der Pandemie ja auch gebrauchen.
wo doch nicht wenige Mitbürger die generelle Orientierung zu verlieren scheinen.
Das betrifft nicht nur die sogenannten Querdenker auf den Straßen, sondern auch die Nachdenklichen
bei uns in den Wohnstuben.
Denn das traditionelle Philosophie-Verständnis hat sich heutzutage doch an zwei grundlegenden Tatsachen neu auszurichten:
Einmal hat die Positionsbestimmung unseres Erdplaneten dazu geführt, dass die Erde eben kein Zentrum der Welt,
sondern ein einzelner Stern unter mittlerweile zwei Milliarden (!) exakt vermessenen Himmelskörpern ist (aktuelle
Katalogisierung der europäischen Weltraum-Sonde GAIA) und dass daher die Vorstellungswelt des inoffiziellen Textes
der Europa-Hymne an die Freude „Brüder, überm Sternenzelt muss ein guter Vater wohnen (Schiller 1785)“
heute nicht mehr als akzeptabel gelten kann; ganz abgesehen von der z. B. einer Auferstehung hinderlichen Konsequenz
der Eiseskälte im Weltenraum.
Zum Andern aber zwingt das Auftreten der unerklärlichen Pandemie, die
unterschiedslos alle Menschen der Erde befällt, auch die Theologie und Philosophie zu einer Neuorientierung.
Doch all dessen ungeachtet wünscht die Bundeskanzlerin in ihrer Neujahrs- Ansprache 2021 – unwidersprochen vor mehr als
sechs Millionen Zuschauern! – uns allem GOTTES SEGEN für das Neue Jahr.
Ein Widerspruch? Was sagt die Philosophie dazu? Muss die Theologie von der Vorstellung der Transzendenz Gottes
auf seine Immanenz wechseln?
Genug für heute, unserer Philosophie bleibt ein weites Feld.
gez. Gerhard Metschies